Sonntag, 24. Juli 2011

Erleichterung, Schock und Frustration



Eine fast perfekte Börsenwoche, getragen von Erleichterung - lediglich der Dow Jones kam am Freitag (roter Pfeil) auf ein Minus - endete in Schock und Frustration.

Die Tragödie in Norwegen zeigt, dass Terrorismus und Fanatismus sich nicht nur auf eine einzige Religion oder Gruppe beschränkt! Das Massentöten von fast 100 Menschen in  einem kleinen Land wie Norwegen ist in Relation zur Bevölkerung von  knapp 4,7 Millionen Einwohnern doppelt so viel wie am 11. September 2001 in den USA aufgrund des terroristischen Massenmordes von fanatischen, nahöstlichen Islamisten starben. Damals kamen bei einer US-Gesamtbevölkerung von über 300 Millionen fast 3.000 Menschen, darunter "nur" 9 Jugendliche unter 18 Jahre, um. Diesmal waren es vorwiegend junge Menschen, die von einem 32 jährigen, rechtsradikalen Christen aus dem eigenen Lande sinnlos, kaltblütig getötet wurden. Nicht nur Norwegen sondern die gesamte Welt trauert um die Opfer und zwingt zum Nachdenken.

Als zweitgrößter Terrorakt in der amerikanischen Geschichte gilt der Bombenanschlag auf ein Verwaltungsgebäude in Oklahoma City, als 1995 am 19. April 168 Menschen starben, darunter19 Kleinkinder unter sechs Jahre. Der Täter, Timothy McVeigh, war 33 Jahre alt, ehemaliger Soldat und katholisch, aber ohne nennenswerte religiöse Bindung
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Zurück zur Börse. Nach einem schwachen Wochenanfang beeindruckte der Dow Jones am Dienstag mit einem Anstieg von über 200 Punkten, was das bisher beste Tagesergebnis in diesem Jahr war. Auch die restliche Woche konnte sich sehen lassen. Das Kaufinteresse hatte drei Gründe.

1.)  Überwiegend positive Quartalsergebnisse lieferten die fundamentale Basis für diese Rallye. Von den bisher 88 Gesellschaften im S&P 500, die ihre Quartalszahlen vorlegten, lagen 75% über den Erwartungen und nur 12% enttäuschten. Der Computer-Hersteller Apple übertraf alle Schätzungen bei weitem. Der Aktienkurs stieg innerhalb eines Monats um fast 25% und weist inzwischen mit $364 Mrd. die zweit-höchste Marktkapitalisierung nach dem Ölgiganten Exxon Mobil ($420 Mrd.) auf. Die Umsätze sind atemberaubend. Meine Warnung vor einem zu hohen Aktienkurs war hier offensichtlich falsch. Wer Positionen hat, kann weiter halten, aber sollte mit einem Teilstop um $380 arbeiten. Zu einem Kauf kann ich mich auf diesem Niveau von $393 nicht durchringen. Wenn einmal einen Trend verpaßt wird, sollte man nicht auf einen fahrenden Zug aufsteigen. Es gibt genügend andere Alternativen, die ich auf der Hotline anspreche.

2.) Die europäische Einigung in der Finanzkrise Griechenlands schaffte politische Erleichterung, auch wenn es noch keine abschließende Lösung ist. Hierzu bedarf es noch einiger Monate und weiterer Beschlüsse. Dies ist ein Geduldspiel, was politisches Geschick und Durchsetzungsvermögen voraussetzt. Europa wird nicht an Griechenland scheitern!

3.) Hoffnungen auf eine Einigung in der Erhöhung der amerikanischen Verschuldungsgrenze wurden am Wochenende zerstört. Es bleibt noch eine Woche, bis einschneidende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine Zahlungsunfähigkeit der USA zu vermeiden. Politiker spielen hier mit dem Feuer. Wall Street wird daher nicht nur wegen der Massenmorde in Norwegen am Montag schwächer eröffnen. Vielleicht überzeugen gute Quartalszahlen im Wochenverlauf wieder Anleger zum Kaufen, da Aktien aus fundamentaler Sicht keinesfalls zu hoch bewertet sind. Die Sommerrallye hat noch etwas Luft, sofern die Politik keinen Strich durch diese Rechnung macht.

Edelmetalle erholten sich, auch wenn Gold den geringsten Wochenanstieg (hellgrüner Pfeil) in der obigen Tabelle aufweist. Texas Öl (WTI) stellte den Wochensieger, während Silber Tagessieger am Freitag wurde und weiterhin die Jahresführung behält (zwei grüne Pfeile). Der DAX weist seit Januar mit einem Plus von knapp 6% (hellgrüner Pfeil) zwar den geringsten Anstieg in der Tabelle auf, ist jedoch mit der beste europäische Aktien-Index in diesem Jahr.













Ein internationaler Vergleich bestätigt die Überlegenheit von amerikanischen Aktien (orange Pfeil). Seit Mai 1994 wurde in den vergangenen 17 Jahren ein durchschnittlicher Gesamtgewinn (Kursgewinn plus Dividenden reinvestiert) von 10 % pro Jahr erzielt. Die restliche Welt kam im gleichen Zeitraum auf ein Plus von 7,7% im Jahr (hellblauer Pfeil). Die Schwellenländer waren bis vor wenigen Jahren am schwächsten (grüner Pfeil). Um das obige Chartbild vergrößert zu sehen, bitte zweimal die Graphik anklicken.











Der Welt-Aktien Index setzt sich aus über 9.000 Titeln von 45 Ländern zusammen. Die Marktkapitalisierung betrug Ende 2010 rund $33 Billionen! Amerikanische Werte machten 43% davon aus, Deutsche Titel kamen auf 3%, während die Schweiz knapp darunter lag und Österreich nicht einmal 0,2% erreichte. Das durchschnittliche KGV (Kurs-Gewinn Verhältnis) des Welt-Indexes lag bei 16,78 und der Preis zum Buchwert bei 1,85. Die Dividenden-Rendite war mit 2,24% höher als die Rendite von 5-jährigen US-Staatsanleihen!












Die hier angezeigte Korrelation mit den Gewinnen der im S&P 500 Index vertretenen US-Unternehmen und dem Goldpreis ist keinesfalls eindeutig. Der englische Text vertritt die Meinung, dass die derzeitigen Rekordgewinne nicht so bemerkenswert sind, da sie gegenüber dem Goldpreis verblassen. Kurz nach der Jahrtausendwende waren bei diesem Vergleich die S&P 500 Gewinne auf einem relativen Rekordhoch (grüner Pfeil) wegen des stark gefallenen Goldpreises. Während der Finanzkrise von 2008 fielen die Gewinne nicht nur auf ihren absoluten Tiefststand, sondern erreichten auch  einen relativen Tiefststand (roter Pfeil) verglichen mit dem stark gestiegenen Goldpreis. Die aktuellen Rekordgewinne verblassen nur beim Vergleich mit dem hohen Goldpreis (blauer Pfeil) und bewegen sich dadurch scheinbar auf einem Niveau, das es bereits zwischen 1975 und 1995 mehrfach gab (gelbe Linie). Dies ist jedoch ein Trugschluss, da die Möglichkeit einer momentanen Überbewertung des Goldes außer Acht gelassen wird. War das Gold vor 12 Jahren, als der Feinunzenpreis auf $255 gefallen war, vollkommen unterbewertet (ich empfahl damals Goldkäufe!), so ist es heute nach einem Anstieg von über 500% eher überbewertet, auch wenn dies bei vielen Goldfetischisten sicherlich kaum Gehör finden wird. Der Edelmetallsektor wird heutzutage mehr emotionell als rationell betrachtet. Die internationale Verschuldungskrise trägt dazu entscheidend bei. Meine jüngste Goldpreisprognose von $1.700 pro Feinunze bis Jahresende beruht primär auf emotionellen Gründen! Emotionen können mitunter Berge versetzen! Dies hat die Internetblase vor 11 Jahren gezeigt. Meine Goldminen-Empfehlungen diskutiere ich regelmäßig auf der Hotline.




Der Bausektor befindet sich seit Ende 2008 auf der Talsohle (rote Schattierung). Der jüngste Anstieg (grüner Pfeil) deutet sogar auf eine mögliche Verbesserung hin. In der Vergangenheit (zwei hellgrüne Pfeile) hatte sich diese Hoffnung allerdings nicht bestätigt. Das Licht am Ende des Tunnels ist vielleicht erkennbar, aber die Strecke bis zum Ende ist noch nicht abzuschätzen! Bauwerte stehen auf meiner Beobachtungsliste und habe in den vergangenen 12 Monaten bereits mehrfach gute Handelschancen offeriert.

Finanzwerte konnten sich im Wochenverlauf von dem vorangegangenen starken Verkaufsdruck - die Commerzbank-Aktie fiel kurzfristig sogar unter Euro 2,5 - wieder teilweise mit Kursgewinnen von bis zu 15% erholen. Bis Jahresende rechne ich mit weiterhin deutlichen Verbesserungen, auch wenn dies eine Minderheitsansicht ist. Neukäufe im Finanzsektor sind allerdings erst wieder vorzunehmen, wenn die diesjährigen Tiefststände erneut ins Blickfeld kommen. Hierzu gibt die Hotline aktuelle Auskunft neben weiteren Empfehlungen und Einschätzungen  Der nächste Blog erscheint am Montag, den 1. August.




Heiko Thieme