Montag, 13. Dezember 2010

Zugabe



In dieser Woche gab es neue Jahreshöchststände an etlichen Börsen der Welt. 2010 wird in die Börsengeschichte als ein gutes, wenn auch volatiles Jahr eingehen. Der Dax hat mein Jahresziel von 7.000 voll erreicht und weist noch keine Ermüdungserscheinungen auf. Der Dow Jones Index liegt seit Jahresbeginn über 9% vorn. Wer meinem Rat Anfang Juli folgte, als der Dow Jones auf 9.700 gefallen war und ich von frühen Weihnachtseinkäufen im Sommer sprach, konnte sogar doppelt soviel erzielen. Das Restpotential bis Jahresende ist wie eine Zugabe zu betrachten.

Das Silber bleibt mit einem Plus von fast 70% der unangefochtene Jahressieger, gefolgt vom Gold. Nachlaufen sollte man diesen Preisen jedoch nicht. Es wird immer wieder Pausen geben, die einen Kauf auf niedrigerem Niveau ermöglichen. Geduld ist hierzu erforderlich. Beim Öl bleibe ich trotz vieler positiven Stimmen skeptisch.

In dieser Woche steht die US-Wirtschaft im Mittelpunkt, da etliche Statistiken hierüber veröffentlicht werden. Der Aufwärtstrend an den Börsen kann sich dabei fortsetzen.



Der Ölpreis konnte die $90 Marke im Wochenverlauf nicht erfolgreich überschreiten. Die wirtschaftliche Nachfrage ist nicht stark genug, um ein solches Preisniveau zur Zeit zu rechtfertigen. Der arktische Kälteeinbruch im Mittleren Westen am Wochenende kann jedoch nochmals zu einem Versuch auf dieses Niveau führen.

In diesem Jahr lag die Handelsspanne beim Öl primär zwischen $70 und $83 pro Barrel (blaue und rote Linie). Nur gelegentlich (roter und blauer Kreisel) kam es zu einem kurzen Unterschreiten der blauen und Überschreiten der roten Linie. In den kommenden Wochen rechne ich mit einem Testen des jüngsten Aufwärtstrends (grüne steigende Linie), wobei der aktuelle Preis nur knapp über der horizontalen grünen Linie liegt.

Wer innerhalb der Bandbreite von $70 bis $83 aktiv handelte kam auf ein Plus von mindestens 60% seit Jahresbeginn. Wer den Mut hatte, auch Leerpositionen zusätzlich zu handeln, kam sogar auf eine Verdoppelung; wird aber jetzt schwitzen und muss auf einen Preisrückgang in die Bandbreite hoffen.



Am Rentenmarkt gab es Anfang Oktober mit knapp 2,4% für 10-jährige Staatstitel die niedrigsten Renditen in diesem Jahr (roter Pfeil). Anfang April waren die Renditen noch auf fast 4% gestiegen (grüner Pfeil). Erst bei einer Rendite um 4,5% sind Staatstitel wieder attraktiv. Dieses Niveau wird im kommenden Jahr jedoch kaum erreicht werden. Daher bleiben Staatsanleihen vorläufig uninteressant.




Präsident Obama hat zur Zeit keine guten Karten. Über 50% der US-Bevölkerung fühlen sich heute wirtschaftlich schlechter als vor zwei Jahren, kurz vor seinem Amtsantritt. Für Zwei Drittel der Befragten bewegt sich die US-Politik in die falsche Richtung. Nur 12% planen für Weihnachten diesmal mehr auszugeben als im vergangenen Jahr. Obama und der Einzelhandel werden zu Weihnachten schwitzen.



Erstanträge für Arbeitslosenunterstützung sind im Dezember auf das Niveau vom August 2008 (grüne Linie) zurückgefallen. Dies deutet generell darauf hin, dass es am US-Arbeitsmarkt zu einer allmählichen Entspannung kommt. Fraglich bleibt jedoch, ob damit die Arbeitslosenrate auch nachhaltig fallen wird.



Die Arbeitslosenrate bleibt ein Problem in den USA. Allein um nur das derzeitige Niveau von 9,8% zu halten, müssen jeden Monat 150.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden (weiße Linie). In den vergangenen 20 Jahren gab es nur einmal einen Monat (grüner Pfeil, September 1997), wo deutlich mehr als 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Januar 2009 (roter Pfeil), Amtsantritt von Präsident Obama, war mit über 800.000 verlorenen Arbeitsplätzen der mit Abstand schlechteste Monat.


Diese Tabelle verdeutlicht, wie schwierig es für Präsident Obama sein wird, die Arbeitslosenrate bis zu seiner Wiederwahl in zwei Jahren deutlich zu senken. Um auf 5% von derzeitig 9,8% zu kommen, müssten jeden Monat 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies ist aus historischer Sicht unmöglich. Bei 200.000 neuen Arbeitsplätzen im Monat braucht es volle 12 Jahre, um auf die 5% Marke zu kommen, was Vollbeschäftigung bedeutet. Obama steht vor einer enormen Herausforderung in den kommenden zwei Jahren. Mit dem Arbeitsmarkt kann er seine Wiederwahl nicht gewinnen.



Privateinkommen haben sich in den USA von 1979 bis 2007 (jüngere Daten liegen noch nicht vor) deutlich unterschiedlich entwickelt. Das untere Fünftel (dunkelblaue Linie) der Haushalte hat einen Netto-Zuwachs im Einkommen von bescheidenen 16% gesehen. Auch der Mittelstand (hellblaue Linie) kann mit einem Anstieg von 25% in 28 Jahren kaum zufrieden sein. Anders sieht es im oberen Fünftel aus. Hier kam es fast zu einer Verdoppelung. Atemberaubend ist jedoch die Verbesserung von über 280% bei den oberen 1% der Haushalte. Diese Diskrepanz in der Einkommensentwicklung stellt Amerika vor eine Zerreissprobe. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist zu groß. Allerdings wird bei dieser Statistik übersehen, dass es bei den Spitzenverdienern zu einem häufigen Wechsel kommt. Die Gründer von Google und Facebook hatten vor 15 Jahren beispielsweise noch kein Vermögen und standen sogar noch teilweise in den Kinderschuhen. Jetzt zählen sie zu den Milliardären.



Die Stimmung unter den US-Verbrauchern hat sich seit zwei Monaten wieder verbessert, nachdem es zuvor zu einer viermonatigen Stagnation (rote Schattierung) gekommen war. Das jetzige Niveau wurde in den vergangenen drei Jahren nur wenige Male überschritten (grüne Linie). Die Tiefststände innerhalb dieses Zeitraums wurden Mitte 2008 bis Februar 2009 (drei rote Pfeile) gesehen. Eine steigende Verbraucherstimmung ist gut für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung.

Weitere Einschätzungen und Empfehlungen auf der Hotline, die es seit 24 Jahren gibt.


Heiko Thieme