Montag, 21. November 2011

Frustration statt Hoffnung











Welches Potential haben DAX und Dow bis zum Jahresende und was sind die Risiken? Diese und andere Fragen diskutierte ich am vergangenen Dienstag mit Melanie Koesser vom DAF. Zum Interview einfach die nächste Zeile anklicken.

http://www.daf.fm/video/heiko-thieme-dax-mit-potential-bis-7000-50149398-DE0008469008.html

Vergangene Woche kam es beim S&P 500 Index zum größten Rückgang in zwei Monaten. Der DAX bleibt mit einem Minus von 16% (roter Pfeil) weiterhin das Jahres-Schlusslicht. Auch der Edelmetallsektor offerierte keinen Schutz; der Silberpreis fiel im Wochenverlauf über 6% (roter Pfeil), obwohl es am Freitag der Tagessieger war (grüner Pfeil). Der Jahresgewinn ist auf knapp 5% zusammengeschmolzen; Ende April führte Silber mit einem Plus von fast 60% das Feld an. Volatilität statt Kontinuität bestimmt den Börsen-Alltag. Gold ist der augenblickliche Jahressieger, obwohl auch hier der Preis seit seinem Rekordhoch Anfang September über 10% gefallen ist. Ich rate weiterhin zur Zurückhaltung. Der Ölpreis kam ebenfalls unter Druck, was meine Warnungen bestätigte. Mit weiterer Schwäche ist zu rechnen, da sich das Weltwirtschaftswachstum abkühlt. Eine allgemeine Rezession sehe ich jedoch nicht, auch wenn dies inzwischen von vielen Experten erwartet wird. Das Risiko hierzu schätze ich auf maximal 30% ein.

Investoren sind frustriert und haben kaum noch Hoffnung, dass dringend notwendige politische Entscheidungen in absehbarer Zeit in Europa und USA getroffen werden.  Griechenland und Italien bleiben Sorgenkinder; konkrete Sanierungsprogramme fehlen weiterhin. Frankreich kämpft um seine Bonität. Der Führungswechsel in Spanien brachte keinen Beifall auf dem Börsenparkett. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist, ähnlich wie die US-Notenbank, die einzige realistische Quelle neuen Geldes für die Euro-Länder, jedoch wehrt sich Deutschland dagegen. Der Markt fordert schnelle Lösungen, aber Politiker arbeiten zur Zeit im Schneckentempo. Das kostet viel Geld. Bei der Verschuldungskrise im Euro-Raum sind es inzwischen dreistellige Milliarden-Beträge! Vor einem Jahr wäre man wahrscheinlich noch mit Euro 50 Milliarden ausgekommen. 

In Amerika konnte sich das Super-Komitee des US-Kongresses nach monatelangen Verhandlungen nicht einmal auf ein Kürzungspaket von $ 1,2 Billionen einigen, um erwartete Mehrausgaben in den kommenden 10 Jahren damit lediglich etwas zu reduzieren! Diese politische Patt-Situation wird jetzt kaum vor den Wahlen im November nächsten Jahres gelöst werden und ist daher für die Wirtschaft sowie Aktien- und Rentenmärkte eine enorme Belastung. Der Traum von neuen Höchstständen an den Börsen im nächsten Jahr ist somit ausgeträumt, aber gehörte auch nicht zu meinen Prognosen. Allerdings ist eine Verbesserung vom derzeitigen Niveau aufgrund der historisch niedrigen Bewertungsbasis in den kommenden Monaten möglich, sofern die Politik dies nicht kaputt macht. 











Innerhalb von rund drei Monaten - vom 7. Juli bis 12. September (roter Pfeil) - verlor der DAX fast ein Drittel und erfüllte damit die Definition einer Baisse, was einen Rückgang von mindestens 20% voraussetzt. Seitdem ist der DAX innerhalb von knapp sieben Wochen um 25% gestiegen (grüner Pfeil) und erfüllt damit die Definition einer neuen Hausse, was ein Plus von mindestens 20% verlangt. Inzwischen hat der DAX bis heute wiederum fast 12% abgegeben, was eine Korrektur bedeutet. Dieses Jahr zeichnet sich somit durch extreme Volatilität aus. 

Die 6.000-Marke (blaue Linie) kann bis Jahresende nur wieder erreicht werden, wenn es doch noch zu einer politischen Entspannung in Europa kommt, was viel Optimismus verlangt. Die 7.000-Marke ist bis April, wenn normalerweise die stärkste Börsenphase im Jahresverlauf endet, nur noch schwer zu erreichen. Die globale Marktkapitalisierung ist seit Ende Oktober aufgrund politischer Sturheit und Unentschlossenheit über vier Billionen Dollar gefallen! Politiker sind somit für Börsen zu einer Art Massenvernichtungswaffe geworden. Der schleppende demokratische Prozess fordert momentan einen hohen Preis.















Der Russel 3000 Index, der 98% aller notierten amerikanischen Aktien umfasst, hat innerhalb von vier Monaten von Juli bis Oktober über 20% verloren (violetter Pfeil) und damit die Definition einer Baisse erfüllt. Seit Anfang Oktober kam es in gut drei Wochen zu einem Anstieg von 18% (hellblauer Pfeil). Berücksicht man die jeweiligen Tagesschwankungen zu Beginn und am Ende dieser Zeitspanne, so errechnet sich sogar ein Plus von 22%, was wiederum eine neue Hausse bedeuten würde. Seitdem ist dieser Index um 7% gefallen, was eine Konsolidierung darstellt. Die entscheidende Frage ist, wieviel zusätzliche Kursverluste die politische Entscheidungslosigkeit Wall Street noch kostet? Dies muss nicht der Beginn einer neuen Baisse sein, sofern kein zusätzliches politisches Porzellan zerschlagen wird. Eine Jahresendrallye kann den Dow Jones Index sogar wieder an die 12.000-Marke heranführen. Bis April ist auch das 13.000-Niveau noch erreichbar. Politikern zu vertrauen, ist allerdings gefährlich, wie die vergangenen Monate gezeigt haben.
















In Deutschland stehen Bank-Aktien wegen ihrer hohen Bestände von europäischen Staatsanleihen wieder unter starken Verkaufsdruck. Mögliche Kapitalerhöhungen können dabei Kursverluste von über 30% bedeuten. US-Banken sind besser aufgestellt, da sie weniger europäische Staatsanleihen in ihren Büchern halten. Die Commerzbank Aktie liegt bereits unter dem Niveau vom März 2009 (schwarzer Pfeil), als die Hausse damals begann. Innerhalb von knapp sieben Monaten stieg die Aktie um 300%. Ein ähnliches Potential kann sich hier in den kommenden Monaten entwickeln. Die Bank of America stieg sogar über 400% (gelber Pfeil)  in 13 Monaten. Der aktuelle Kurs von $5,35 (roter Pfeil) ist für mutige Investoren wieder eine Einstiegschance. Das Potential liegt bei mindestens 100% innerhalb von zwei Jahren, allerdings ohne Garantieschein. Auch JPMorgan Chase gehört bei einem Preis von unter $30 (blauer Pfeil) zu meinen Empfehlungen. Die Deutsche Bank leidet unter einem sehr ungeschickten Führungswechsel. Werden die Tiefstände vom September (Euro 22) wieder erreicht, wäre auch dies eine erneute Chance. Im September stieg die Aktie um glatte 50% innerhalb von nur fünf Wochen bis Ende Oktober, und auf meiner Hotline empfahl ich eine Gewinnmitnahme. Schnelles Handeln ist wichtig






Inflationswarnungen sind nach wie vor unberechtigt. Im Oktober fielen die US-Verbraucherpreise um 0,1% aufgrund niedrigerer Energiekosten, die in den drei Vormonaten regelmäßig gestiegen waren. Gegenüber dem Vorjahr weist der Index einen Anstieg von 3,5% auf (roter Pfeil); dies vergleicht sich mit einem Anstieg von 3,9% im September. Die Kernrate ohne volatile Energiekosten und Nahrungsmittelpreise erhöhte sich auf 2,1% (blauer Pfeil) und liegt damit geringfügig über der 2%-Marke (grüne Linie). Die Notenbank muss keinen restriktiven Kurs einschlagen, solange dieses Niveau nicht nachhaltig überschritten wird.





Der amerikanische Verbraucher hat sich von den politischen Ereignissen bisher nicht einschüchtern lassen. Seit Mitte 2010 (grüne Markierung) sind Einzelhandelsumsätze bis auf eine Ausnahme (roter Pfeil/- 0,1% im Mai 2011) immer gestiegen. Der Einzelhandel muss sich daher nicht vor dem so wichtigen Weihnachtsgeschäft, das am Freitag einen Tag nach dem Erntedankfest offiziell beginnt, Sorgen machen, auch wenn sich erhoffte Verbesserungen in Grenzen halten.


Am Donnerstag sind die US-Börsen wegen des Erntedank-Fests geschlossen und schließen am Freitag bereits um 13:00 Uhr anstatt wie üblich um 16:00 Uhr. Diesmal gibt es für Börsianer wenig zu feiern, da Politiker die Aktien-Hausse frühzeitig im Sommer beendeten durch das Hinauszögern der Erhöhung der Verschuldungsgrenze  und den neuen Aufschwung wegen fehlender Kürzungsvorschläge beim Bundeshaushalt jetzt blockieren.
         
Weitere Analysen und Empfehlungen auf der Hotline. Der nächste Blog erscheint am Montag, den 28. November. 
































Heiko Thieme